8.31.2015

one two, Freddy comes for you


Op deze doorregende maandag brengen we hulde aan de geniale filmmaker Wes Craven:

Eerst en vooral laten we hem zelve aan het woord:



Een documentaire over zijn meest iconische project:



Tenslotte enkele prachtige scenes uit zijn geniale werk





8.30.2015

samenvatting van deze week

"Quelques fois les choses ici overpower me with disgust"

Leopold I, geciteerd in Deneckere, Gita, Leopold I. De eerste koning van Europa, Antwerpen, 2011, p. 384.

8.28.2015

ugly kid jesus

Wie een beetje thuis is in de Westerse kunstgeschiedenis, is ze zeker al eens tegengekomen: schilderijen en beelden van kindje Jezus, die er allesbehalve als een kind uitziet.
Uiteraard konden de kunstenaars uit de middeleeuwen perfect een kind schilderen of beeldhouwen. Dat was helemaal het probleem niet. Het probleem was dat Onze-Lieve-Heer maar moeilijk kon voorgesteld worden als een onnozel baby'tje met een volle pamper. Dat beeld strookte niet met de voorstelling van Christus Koning. Een redenering die maar gedurende een beperkte periode van 'onze' kunstgeschiedenis de norm was. Maar een redenering die prachtige vreemde voorstellingen opleverde.

Maura Callahan heeft een leuke reeks online gezet voor City Paper.


met dank aan medievalnews

8.18.2015

ballade van de zee

Niet de wind, maar een boze mond
doofde de kaars. De koningszoon verdronk.

Wie op hem wachtte werd gek van verdriet
en sprong in zee. Beiden werden een lied.

Is het water te diep, koopt men een plaats
op een boot. De afstand is niet zeer groot.

De levens aan boord, zij wegen zo zwaar
en de boot is licht. Ook brandt er geen kaars.

Aan de overkant is nog een feest aan de gang.
Men eet er de wereld, al eeuwen lang.

Spoelen de lijken aan, vangt men ze op
en wordt stil. Een minuut lang spreekt God.

Daarna blazen monden het fort weer dicht,
voor de poort ligt een oorlogsschip.

De doden in zee, ook zij worden een lied.
Het zingt niet, het huilt.

En toch hoort men het niet.


Charles Ducal

bron: DeWereldMorgen.be

8.17.2015

'white like me'

Beste vrienden, het is maar een druilerige maandag vandaag, en, zoals gewoonlijk, maar zeker zoals gewoonlijk tijdens de vakantie, is er omzeggens niet kijkenswaardig op de schellevisie.

Vandaag kijken we naar een zeer interessante documentaire.



In het voorjaar verscheen de zeer bekijkenswaardige documentaire White Like Me van en met de Amerikaanse onderzoeker en anti-racisme activist Tim Wise. Hoofdthema is het zogenaamde white privilege en hoe een racistisch discours gebruikt wordt zowat alle sociale verworvenheden kapot te maken.

8.11.2015

eenheidsdenken rond Sjostakovich

Op 9 augustus 1975, 40 jaar geleden dus, stierf de Sovjet componist Dmitri Sjostakovich. Je kunt geen publicatie over deze componist ter hand nemen, over er staat een passage in over de 'moeilijke verhouding met het Kremlin'. Er worden zelf hele 'analyses' gemaakt over zijn werk waarbij elke passage, elke noot,
wordt gekoppeld aan een vermeende gemoedstoestand, als gevolg van een vermeende richtlijn of een conflict met de blijkbaar alles controlerende en omni -aanwezige Stalin. Als een componist, of een cineast zoals Eisenstein, of een auteur of beeldende kunstenaar, niet kan verguisd worden of erger nog simpelweg genegeerd, dan kan het toch niet zijn die persoon progressief zou kunnen geweest zijn. Een baanbrekend componist kan toch, vanzijnleven, nooit communist zijn? Het Duitse blad junge Welt ging deze week dieper in op deze merkwaardige manier van denken. 
We nemen dit hier met graagte integraal over:
Am 9. August 1975 starb Dmitri Schostakowitsch im Alter von 68 Jahren. Sein 40. Todestag ist der jungen Welt Anlass, in einer Reihe von Beiträgen an den sowjetischen Komponisten zu erinnern. Dazu erschienen auf diesen Seiten bisher eine Besprechung von Ole Anders Tandbergs Inszenierung der Oper »Lady Macbeth von Mzensk« in der Deutschen Oper zu Berlin (31.1.), ein Vorabdruck aus Patrick Bades Buch »Music Wars 1937–1945« (8.6.), und zwei Tage später wurde der Filmkomponist Schostakowitsch vorgestellt. Am 28. Juni stand hier eine Kritik der 6. Internationalen Schostakowitsch-Tage in Gohrisch.
Heute gibt es kaum Literatur über den Tonsetzer, die ihn nicht als Gegner des Sowjetstaates und speziell Stalins ausmacht. Maßgebend dafür ist das Buch des Dissidenten Solomon Wolkow »Testimony«, Zeugenaussage, das 1979 in den USA erschien. Dessen Einschätzung hat das bürgerliche Feuilleton übernommen – und sie drang im Laufe der Jahre auch in das Bewusstsein von Linken ein. Welches Kartenhaus hier aufgebaut wird, soll heute auf den Themaseiten gezeigt werden. Schostakowitsch ist unser Komponist. (jW

Am 9. August 1975 starb im Alter von fast 69 Jahren der große sozialistische Komponist Dmitri Schostakowitsch. Vier Jahre später erschien in New York ein Buch, das sich als die »Memoiren« von Schostakowitsch ausgab. Sein Verfasser, der sowjetische Dissident Solomon Wolkow, suggerierte mit dieser Veröffentlichung, dass der Komponist keinesfalls ein Anhänger der Sowjetmacht, der kommunistischen Idee und der gesellschaftlichen Emanzipation, sondern vielmehr ein heimlicher bürgerlicher Individualist gewesen sei, der alles abgelehnt hätte, was irgendwie mit kollektiver Solidarität, staatlicher Organisation und parteilicher Leistung zu tun gehabt hätte. Der Rückzug ins Private im Spätwerk und die Zurückhaltung Schostakowitschs bei öffentlichen Auftritten belegten laut Wolkow, dass der politische Druck in der Sowjetunion so groß war, dass der Komponist es nicht wagte, seine eigentlichen Ansichten noch zu Lebzeiten zu offenbaren. In den wenigen Begegnungen Wolkows mit dem Musiker seien aber die Aufzeichnungen für die »Memoiren« entstanden, die er dann geordnet, ausformuliert und Schostakowitsch zum Gegenzeichnen vorgelegt hätte. Daher sei das Material authentisch, wenn auch, wie die erste Immunitätsklausel im Vorwort des Buches schon leicht verräterisch vorbaute, gesagt werden müsse, dass sich Schostakowitsch oft widersprochen hätte und er, Wolkow, den »wirklichen Sinn seiner Worte« erraten musste.¹
Nun, der vorgeschobene Zeuge konnte sich nicht mehr wehren. In Anbetracht der generellen Tendenz der Abhandlung, alles Sowjetische zu denunzieren und bis auf den Mikrokosmos der »russischen« Intelligenz auch nichts anderes als akzeptabel zuzulassen, erstaunte die Zeitgenossen wohl doch, dass Schostakowitsch nicht eine seiner Reisen ins westliche Ausland genutzt hat, um der Heimat den Rücken zu kehren. Auch dafür hatte Wolkow, in Form der zweiten Immunitätsklausel, eine Ausrede parat, denn er deutete an, dass der Komponist die westliche Öffentlichkeit als abstoßend empfand. Dennoch heißt es gleich anschließend mit Verve: »Fraglos stand Schostakowitsch mit ganzem Herzen auf seiten der Liberalen.« Woher Wolkow das wissen wollte, wurde natürlich nicht gesagt.
Wenn man sich die »Zeugenaussage« aus der Perspektive des Jahres 2015 noch einmal anschaut, dann fällt auf, dass sie eine höchst konstruierte Mischung aus Totalitarismus, imperialistischem Geschichtsbild und Antikommunismus darstellen. Das war für den westlichen Zugang zum sozialistischen Weltsystem schon im Jahre 1979 in den Hauptfällen üblich und erscheint mit dem Wissen um die ideologische Denunziation aller sozialistischen Vorstellungen und Grundwerte in der Gegenwart kaum mehr überraschend. Was hingegen deutlich zutage tritt, ist die Tatsache, dass selbst bei nur rudimentären Kenntnissen über Leben und Werk von Schostakowitsch die Aufzeichnungen von Wolkow als falsch zurückzuweisen sind. Methodik und Stilistik gehen immer dann in die Feder Wolkows über, wenn allgemeine Aussagen zur sowjetischen Politik gemacht werden, die zum Teil so eindimensional und unreflektiert sind, dass sie kaum woanders als am Dissidentenküchentisch entstanden sein können, an dem gerade Schostakowitsch nicht gesessen hat. Etwas besser sieht es mit den musikimmanenten und aufführungstechnischen Äußerungen Schostakowitschs aus, die viele Musikwissenschaftler (z. B. den Biographen Krzysztof Meyer und den Musiktheaterexperten Gerd Rienäcker) späterhin zu der Auffassung verleitet haben, weil das Musikalische in den »Memoiren« durchaus richtig sei, könne das Politische wenigstens nicht völlig aus der Luft gegriffen sein.

Nichts von Schostakowitsch

Die rücksichtslose Ausbeutung der Schwierigkeiten Schostakowitschs mit Instanzen der sowjetischen Administration erfolgte von Wolkow auf der Ebene des Traktats als Aufforderung an die Leserschaft, das Ganze zu glauben. Kernpunkte waren dafür die Auseinandersetzung um Schostakowitschs Oper »Lady Macbeth von Mzensk« im Jahre 1936 und der Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU (B) vom 10. Februar 1948 zu den formalistischen Tendenzen in der sowjetischen Musik. In beiden Fällen war der Komponist zwar direkte Zielscheibe einer zum Teil deutlich überzogenen Kritik, wurde jedoch nicht für immer kaltgestellt und auch nicht von seinen Überzeugungen zur Schaffung einer sowjetischen Avantgardemusik abgebracht. Selbst die offizielle »Enzyklopädie der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken«, die 1950 in einer deutschen Ausgabe erschien, erwähnte Elemente der sinfonischen und filmdramatischen Musik von Schostakowitsch positiv (die 5. Sinfonie von 1937, den ersten Satz der 7., der »Leningrader« Sinfonie mit dem »Invasionsthema« sowie die Filmmusik zu Friedrich Ermlers Kirow-Film »Der große Patriot« von 1938/39). Mit der von ihm selbst zurückgehaltenen 4. Sinfonie aus dem Jahre 1936, die schließlich Ende 1961 uraufgeführt wurde, war Schostakowitsch seiner Zeit weit voraus und hätte mit Sicherheit noch größeres Unverständnis in politischen Kreisen hervorgerufen, so dass es von ihm klug war, hier die Zeit abzuwarten. Unter die Folie solch künstlerischer Einengungen, die aus den Zeitkonstellationen und nicht aus politischer Willkür zu erklären sind, legte Wolkow nun aber vermeintliche Einsichten Schostakowitschs, die aus diesen Konstellationen resultieren sollten, obwohl sie dann völlig zusammenhanglos im Raum standen.
Als nicht von Schostakowitsch stammend sind z. B. folgende Thesen Wolkows einzuschätzen: Stalin und Hitler seien »Geistesverwandte« gewesen; die »Leningrader« Sinfonie hätte Stalin zum Thema und nicht den deutschen Überfall. Für die sowjetische Kunst wäre der Tod kein Gegenstand, sondern nur Optimismus (sowohl die Dramen und Werke der Vorkriegszeit von Wsewolod Wischnewski, Walentin Katajew und Nikolai Ostrowski als auch die nach dem Überfall Hitlerdeutschlands von Konstantin Simonow, Alexander Fadejew und Michail Scholochow als auch die Erinnerungen an den Großen Vaterländischen Krieg müssen Wolkow »entfallen« sein). Stalin sei »natürlich« »nur halb bei Verstand« gewesen, und er hätte Mussolini »imitiert« (in der Architektur), der »ihm imponierte«. Die Lyrikerin Anna Achmatowa soll als »Genius« der UdSSR gegolten haben usw. All dies gipfelt bei Wolkow in einem Satz über Modest Mussorgskis Oper »Chowanschtschina« von 1886, der in die damalige (nicht vorhandene, aber von Dissendenten erwünschte) Gegenwart verweisen soll: »Das Thema steht für Russland, das eines Tages frei atmen können wird.« Wolkow hatte also schon bis hierhin ganze Arbeit geleistet, die sich dann auch noch entwickeln ließ, als er zwischendurch auf verhasste Personen zu sprechen kam.

Prokofjew, Majakowski, Eisenstein

Ein typisches Gebaren einer gewissen Variante des Intellektuellen besteht darin, größere oder ebenbürtige Rivalen in den harschesten Tönen abzuqualifizieren. Schostakowitsch wurde so etwas nie nachgesagt, und es war auch überhaupt nicht als seine Art der Disputation bekannt. Dennoch bekamen der Komponist Sergej Prokofjew, der Dichter Wladimir Majakowski und besonders der Filmregisseur Sergej Eisenstein in dem Buch »Zeugenaussage« die abfälligsten Urteile hinterhergeworfen. Alle drei Persönlichkeiten vereinte etwas, das für Wolkow offenkundig unerträglich war. Sie hielten am Kommunismus fest, solange sie lebten. Sie kamen alle drei aus freien Stücken aus dem Westen in die Sowjetunion zurück – Prokofjew 1933 aus Frankreich, Majakowski nach Aufenthalten u. a. in den USA und Frankreich sowie Eisenstein 1932 aus Mexiko. Ihre öffentlichen Äußerungen waren niemals antisowjetisch. Und ihre Werke sind, bei aller möglichen Widersprüchlichkeit im Detail, Beiträge zur angestrebten Vervollkommnung der sozialistischen Bewusstseinsbildung.²
Es könnte so gewesen sein, dass Schostakowitsch mit seinem feinen Gespür für Kompositionstechnik die gröbere Art des Komponierens von Prokofjew nicht mochte. Dann allerdings hätte die noch gröbere Form Igor Strawinskys doch die viel dankbarere Angriffsfläche geboten. Strawinsky aber wurde in Wolkows Buch gelobt, während Prokofjew seitenweise der Niedertracht geziehen wurde. Noch bezeichnender fiel das Verdikt aus, als sich die Abhandlung auf das bürgerliche Ideal egoistischer Selbstbestimmung besann. Zitiert wurde zunächst der russische Lyriker Nikolai Nekrassow (1821–1878) mit den Worten: »Ein Dichter brauchst du nicht zu sein, ein Bürger aber unbedingt …«, um sodann fortzufahren: »Ein Bürger im Sinne Nekrassows war Majakowski nicht. Er war ein Lakai, der seinem Herrn untertänigst diente, indem er sein Scherflein zur Verherrlichung des unsterblichen Führers und Lehrers beitrug. Und er war nicht der einzige, sondern nur einer aus einer glorreichen Kohorte, die ihre Schaffensimpulse der Persönlichkeit des Führers und Lehrers verdankten und sein Wirken bejubelten. Eisenstein wäre hier vorrangig zu nennen mit seinem Film ›Iwan der Schreckliche‹, zu dem Prokofjew die Musik schrieb.« Da waren sie dann alle zusammen, die Verhassten von Wolkow, in den Mund gelegt einem Schostakowitsch, der nunmehr wider alle biographische Verlässlichkeit etwas zu Protokoll zu geben hatte, was nachweislich nicht stimmen konnte.³
Im Zusammenhang mit Eisenstein kam eine noch verächtlichere Pose hinzu, die seine Inszenierung von Richard Wagners »Walküre« (1870) im Moskauer Bolschoi-Theater vom November 1940 betraf. Unter Absehung jeglicher Kontextualisierung und vor allem auch der unzweifelhaften antifaschistischen Grundhaltung Eisensteins bezichtigte das Buch den Regisseur der Gewissenlosigkeit, im Schatten des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrags ausgerechnet die »Liebe zu den Faschisten« mit Hilfe dieser Opernaufführung zu zeigen. Überdies wurde dort behauptet, dass die Premiere dann ein großer Erfolg gewesen wäre, die Zeitungen »überschwengliche Kritiken« gebracht hätten und so ein »neuer Triumph an der Kunstfront« entstanden sei. Auch diese Meinungsäußerung ist unzutreffend.
Eisenstein beabsichtigte natürlich etwas anderes. Schon seit geraumer Zeit davon überzeugt, dass im Mittelpunkt der »Walküre« das Thema »Mitleid« und »Vereinzelung« stehe, wollte er beweisen, dass der Wagner-Kult des faschistischen Deutschlands auf einem Missverständnis des Werks beruhte und man gerade an diesem Stück eine Verbindung herstellen könnte zwischen dem Wunsch nach Einheit der Harmonie zwischen Mensch und Umwelt und der kommunistischen Gesellschaftsstruktur. An diesem Projekt scheiterte er in der ästhetischen Umsetzung, weil sein filmisches Montageverständnis der musikalischen Bühnenarbeit inzwischen etwas im Wege stand. Dafür hatte er jedoch erreicht, dass die Tragödie des Individualismus in der Tat weltliche Gründe aufweist, und man dies anhand der Oper auch erkennen konnte. Deutsche wie sowjetische Rezensenten reagierten eher abweisend auf die symbolträchtige Inszenierung. Und gleich gar nicht konnte darüber hinaus davon gesprochen werden, dass der Nichtangriffsvertrag »ein Ausdruck der Völkerverbrüderung« gewesen wäre, wie der Philosoph Dieter Thomä 2006 in seiner überzeugenden Vergleichsanalyse des Werks von Wagner und Eisenstein schreibt.

Über Quellenredlichkeit

Bei Thomä findet sich auch noch einmal in einer längeren Passage in Auszügen das Zitat aus der »Zeugenaussage« über Eisensteins »Walküre«-Engagement. Unter Verwendung von Forschungsergebnissen der britischen Russlandspezialistin Rosamund Bartlett führt er aus: »Bartlett macht den Vorbehalt, dass Teile dieser Memoiren möglicherweise gar nicht auf Schostakowitsch selbst zurückgehen, sondern auf Solomon Wolkow, der sie aufgezeichnet, aber teilweise vielleicht auch verfasst hat.« Diese Vorsicht in der Beurteilung war zum Zeitpunkt der Niederschrift eigentlich schon unbegründet. Zwei Jahre früher, 2004, wurde nämlich als »A Shostakovich Casebook« eine umfassende Replik auf die Verfälschungen der »Zeugenaussage« veröffentlicht, die auch Texte beinhaltete, die schon kurz nach dem Erscheinen der Wolkow-Memoiren 1979 deren Authentizität massiv in Frage stellten. Insbesondere die Arbeiten der akademisch nicht angebundenen US-amerikanischen Schostakowitsch-Biographin Laurel E. Fay bewiesen die methodischen Schwächen und die bewusste Entstellung von Quellenmaterial. In einem ersten Aufsatz von 1980 hieß es bei ihr, dass die Authentizität der »Zeugenaussage« sehr stark in Zweifel zu ziehen ist. In einer Überarbeitung von 2002 bestätigte sie ihre Erkenntnisse und radikalisierte die Einschätzung sogar noch, indem sie anmerkte, dass im wenig naheliegenden günstigsten Fall die »Zeugenaussage« höchstens ein simulierter Monolog sei, der wichtige Quellen zu Schostakowitsch ignoriert. Im schlimmsten Fall jedoch sei das Buch »Betrug« (»a fraud«) und großer Verrat an den Prinzipien und Idealen Schostakowitschs, der von Wolkow zum wehrlosen Objekt im Kalten Krieg gemacht wurde.
Es ist interessant, dass die Kontroverse um die »Zeugenaussage« trotz der vorliegenden Eindeutigkeit der Fadenscheinigkeit (ongeloofwaardigheid) des Buches weiter am Leben erhalten wird. Für den Musikwissenschaftler Gerd Rienäcker bestimmten die »Memoiren« sogar weithin sein Schostakowitsch-Bild, wie er 2006/07 resümierte. Er berief sich dabei auf sie scheinbar bestätigende Aussagen des Komponisten selbst, die der Dirigent Kurt Sanderling und der Musikhistoriker Harry Goldschmidt vom Komponisten gehört haben wollten. Auch der marxistische Musiksoziologe Georg Knepler wurde als Bestätigung herangezogen: »Die von Wolkow aufgezeichneten Äußerungen entsprächen Schostakowitschs Denken großenteils (Knepler sprach von 88 Prozent!).« Wie kam denn Knepler auf diesen absurden Wert? Und welche zwölf Prozent sollten dann die Unwahrheit sein? Ein genauer Blick in den Schlussteil der »Zeugenaussage« bringt des Rätsels Lösung. Rienäcker war einer Ironie von Knepler aufgesessen, ohne sie zu bemerken. Wolkow berichtete, dass Schostakowitsch bei offiziellen Anlässen manchmal wenig sagte. Wenn die Fotografen ihr Erinnerungsfoto schossen, bewegte er einfach die Lippen mit der Aussprache der Zahl »achtundachtzig«. Das ergäbe den Eindruck eines Gesprächs, womit die Fotografen zufrieden gewesen wären. Genau auf diese Nullaussage spielte Knepler an, als er den Erkenntnisgehalt der »Memoiren« umschrieb – sie bedeuteten nicht mehr als das Bild, das sich der Westen von Schostakowitsch machen wollte.
Die »Zeugenaussage« ist also insgesamt ein authentisches Dokument für die bewusste Steuerung der politischen Stimmung im Kalten Krieg gegen einen der integersten Künstler des sowjetischen Staates. Mit der Geschichte der Propaganda im Rahmen des Ost-West-Konfliktes hat dieses Buch sehr viel, mit Zeugenschaft sehr wenig zu tun. Offen ist eher noch die Frage, mit welch logistischer Unterstützung aus dem Parteiapparat es möglich war, der politisch absolut einflusslosen Opposition der UdSSR im Westen eine derart prominente Bühne zu verschaffen und dabei gleichzeitig einen der wichtigsten Repräsentanten der progressiven sowjetischen Kulturpolitik zu opfern.

Der ideologische Klassenkampf

Dass der ideologische Klassenkampf weiterhin von oben geführt wird, erstaunt nur diejenigen, die das bürgerliche Ammenmärchen vom guten Willen und der Friedfertigkeit des Spätimperialismus unserer Tage bereitwillig zu ihrem Leitsatz erkoren haben. Die Glaubwürdigkeit dieser Epoche ist jedoch weiterhin unsicher, und Schostakowitsch ist offenkundig immer noch zu sehr als Kommunist im Gedächtnis. Anders könnte schwer erklärt werden, wieso im Jahre 2011 und durchgesehen 2014 nochmals eine umfassende Verteidigungsschrift für die »Zeugenaussage« von Mitstreitern Wolkows unter dem provokant martialischen Titel »The Shostakovich Wars« veröffentlicht wurde. Sie bietet an sich nichts Neues, sondern wiederholt nur mit ausladender Geste nahezu alle Thesen der »Memoiren«. Da in den Chefetagen der bürgerlichen Kommunismusforschung offizielle Quellen per se als unglaubwürdig eingeschätzt und Gegenstimmen in der Regel als »gefärbt« oder »sozialistisch kontaminiert« zurückgewiesen werden, verbleibt auch diese neuere Publikation auf der Ebene subjektiver Meinungstäterschaft, fährt reihenweise »Bestätigungsstatements« auf und illustriert auf schlagende Weise den Erkenntnisverlust in der Gegenwart mit der Verwechslung von Meinung und Wissen. Beispielhaft dafür sind die Äußerungen des finnischen Übersetzers und der deutschen Übersetzerin der »Zeugenaussage«, die beide retrospektiv behaupten, von vornherein anhand der Stilistik, der Diktion und des Bildungshintergrundes die »Memoiren« als unleugbar von Schostakowitsch geschrieben erkannt zu haben. Zu dieser Auffassung kann nur gelangen, wer nicht mit den elementaren Regeln der Quellenkritik vertraut gemacht worden ist. Gerade in der Stilistik sind die Einfügungen von Wolkow deutlich sichtbar, und was den »Bildungshintergrund« betrifft, ist Belesenheit ja durchaus das Mindeste, was man auch Dissidenten zutrauen können müsste. Das bürgerliche Bewusstsein kann sich einfach den gleichen Effekt der von seinem Standpunkt aus verdammungswürdigen arglistigen Täuschung und erwünschter politischer Täuschung nicht vorstellen. Vergliche man die »Zeugenaussage« mit den 1979 entstandenen (und 1988 erstmals veröffentlichten) Erinnerungen »Aus der Sicht meiner Generation« des 1915 geborenen Schriftstellers Konstantin Simonow, dann würde auf schlagende Weise klar, wie Inhalt, Stilistik, Diktion und Bildungshintergrund bei authentischen und tatsächlich selbst geschriebenen Memoiren aussehen müssten. Aber Simonow ist für diese Leute aufgrund seiner »Staatsnähe« selbstredend kein brauchbarer Zeuge.
Der somit für den ideologischen Klassenkampf schön hergerichtete Titel des Wolkow-Buchs verfehlt sachliche Richtigkeit. Korrekter hätte er zu lauten: »Meine Gespräche mit Schostakowitsch. Eine politische Interpretation. Von Solomon Wolkow«. Ein solches Buch hat Wolkow 2004 verfasst: »Stalin und Schostakowitsch. Der Diktator und der Künstler«. Wer nun die »Zeugenaussage« kennt, erfährt natürlich lediglich Variationen der politischen Endlosschleife vom insgeheimen Dissidenten Schostakowitsch, der Tyrannei Stalins, der absoluten Knebelung der »russischen« Intelligenz und anderes mehr. Auch diese Arbeit stimmt interpretativ hinten und vorne nicht, aber auffällig ist zweierlei: Auf die »Zeugenaussage« wird kein Bezug mehr genommen, und die Einwände aus dem »Shostakovich Casebook« werden vollständig übergangen. Die in dem Porträt genutzte Form der ideologischen Rhetorik ist selbstverständlich ehrlicher, wenn sie auch dadurch nicht sachlicher wird. Manipulativ bleibt der ganze Wolkow trotzdem, so wenn er z. B. in der Reflexion Eisensteins über seinen Theaterlehrer Wsewolod Meyerhold (1874–1940) dessen Memoiren verkürzt und damit sinnentstellend zitiert oder wenn er als Konklusion die gewöhnliche artifizielle These anbietet, Schostakowitschs Musik sei »weder pro- noch antisowjetisch, sondern einfach nichtsowjetisch« gewesen. Nichts wirkt so falsch wie dieser letzte Satz bürgerlicher Herkunft, deren Horizont so begrenzt ist wie der wohlige Schauer am Untergang der Existenz des auf sich selbst zentrierten Intellektuellen, der subjektive Empfindungen zu objektiven Kriterien umdeutet.
Der 40. Todestag des revolutionären Komponisten Dmitri Schostakowitsch sollte einem neugierigen Publikum Anlass genug sein, das monumentale Werk selbst sprechen zu lassen, das ohne die produktive Perspektive des Sozialismus und die positive Ausrichtung auf die Sowjetunion gar nicht entstanden wäre.

Anmerkungen

1 Vgl. Zeugenaussage. Die Memoiren des Dmitrij Schostakowitsch. Aufgezeichnet und herausgegeben von Solomon Volkow (1979), Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1981, S. 14
2 Das müssen auch neuere biographische Arbeiten zugeben, obwohl sie sich sehr bemühen, den herrschenden Analysekonsens der Abspaltung des revolutionären Geistes von der ästhetischen Produktionseinstellung zu bedienen. Vgl. dazu z. B. Elsbeth Wolffheim: Wladimir Majakowskij und Sergej Eisenstein, Hamburg 2000, und Friedbert Streller: Sergej Prokofjew und seine Zeit, Regensburg 2003
3 Das hätte man alles zwischen 1975 und 1979 schon wissen können. Zuverlässiges biographisches Einführungsmaterial in Form von Erinnerungen oder Aufzeichnungen, wenn auch noch nicht immer vollständig, existierte über alle drei bereits seit Mitte der 1960er Jahre.
4 Dieter Thomä: Totalität und Mitleid. Richard Wagner, Sergej Eisenstein und unsere ethisch-ästhetische Moderne. Frankfurt am Main 2006, S. 28; das folgende Zitat befindet sich auf S. 27.
5 Laurel E. Fay: Shostakovich versus Volkov. Whose Testimony? (1980), in: Malcolm Hamrick Brown (Ed.): A Shostakovich Casebook. Bloomington/Indianapolis 2004, S. 19
6 Vgl. Laurel E. Fay: Volkov’s Testimony Reconsidered (2002), in: A Shostakovich Casebook, siehe Anmerkung 5, S. 57 f.
7 Gerd Rienäcker: Unterwegs zu Dmitri Schostakowitsch – in fünfzehn Schritten, S. 5
8 Solomon Wolkow: Stalin und Schostakowitsch. Der Diktator und der Künstler, Berlin 2004


een prachtig voorbeeld van zijn oeuvre, Symfonie nr. 10 in e, opus 93, opgenomen op 4 november 2011 in Vredenburg Leidsche Rijn, Utrecht, door het Nederlands Radio Filharmonisch Orkest o.l.v. Pablo Heras Casado voor NPO 4.